Wie gut ist es eigentlich um die Katastrophensicherheit deutscher Großstädte bestellt

22. August 2004 § Hinterlasse einen Kommentar

Von Marco Rettstatt für die Cannstatter Zeitung
Die jüngste Brandkatastrophe in einem Kaufhaus bei Asuncion, der Hauptstadt von Paraguay bei der am 1. August 700 Menschen in einem brennenden Kaufhaus eingeschlossen worden und über 400 ums Leben gekommen sind, wirft die Frage auf, wie sicher unsere Deutschen Großstädte eigentlich sind. Was wird, wenn es hierzulande zu einer solchen Katastrophe kommt? Wie gut sind wir vorbereitet auf einen solchen Fall und was wird dagegen unternommen? Am Beispiel von Stuttgart haben wir uns einmal nach der Katastrophenresistenz deutscher Großstädte erkundigt.
„Eigentlich sind in deutschen Großstädten Katastrophen wie diese in Paraguay gar nicht möglich“, wiegelt Stuttgarts Feuerwehrkommandant Frank Knödler empört ab. Gerade auf die Sicherheit öffentlicher Gebäude, wie Kaufhäuser, Gaststätten, Krankenhäuser oder Diskotheken die wegen ihrer hohen Besucherfrequenzen zu  Gefahrenschwerpunkten werden können wird von der Feuerwehr besonders penibel geachtet. Solche Gebäude werden in regelmäßigen Abständen zwei bis drei Mal im Jahr auf ihre Sicherheit hin kontrolliert. Besonders auf die ungehinderte Passierbarkeit von Fluchtwegen und Fluchttüren. Brandschutz- und Brandmeldeanlagen seien in öffentlichen Gebäuden in ganz Deutschland ohnehin seit langem Pflicht. Diese hierzulande elementaren Dinge, die sich auch schon vielerorts als sehr gute Brandbekämpfer bewährt hätten, sind in Südamerika eher unüblich. Allerdings sind hierzulande andere Katastrophenszenarien, wie Tunnelbrände, einstürzende Gebäude, umgestürzte Züge, die Evakuierung größerer Gebäude und ganzer Krankenhäuser oder auch die Virusinfektion einer ganzen Stadt, auf den Katastrophen-Notfallplänen durchaus vorgesehen. Für das Ausrufen des so genannten K-Falls, dem Katastrophenfall, ist in Stuttgart der Oberbürgermeister nach Absprache mit seinem entsprechenden Stab zuständig. Feuerwehrkommandant Frank Knödler, der in Stuttgart diesem Stab vorsteht, hat für über 1 500 Situationen und Gebäude in Stuttgart solche Notfallpläne in der Schublade. Größere Betriebe wie Mercedes-Benz, oder Bosch haben ohnehin eigene Betriebsfeuerwehren. „Das ist seit langen so geregelt und hat sich bewährt“. Ein besonderes Augenmerk hat Knödler auf die chemischen Betriebe in Stuttgart, sowie alle Neubauten. Einsätze bei Katastrophenfällen werden in unregelmäßigen Abständen bei unterschiedlichsten Übungen von den verschiedenen Notfall-Einsatzgruppen trainiert. Die letzte große Übung für einen Katastropeneinsatz wurde 1999 in einem Tunnel zwischen Stuttgart und Ludwigsburg mit 1 800 Akteuren abgehalten. Dort war ein Zugunglück mit allen Schikanen simuliert worden, erinnert sich Knödler.  Auch im Hinblick auf die Fußball-WM 2006 werden Bundesweit noch einige große Katastrophenfall-Übungen stattfinden. Auch Stabsübungen, die so genannten Planspiele, die nur von den Einsatzleitern der Einsatzkräfte, wie der Feuerwehr, dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), Polizei, Gesundheitsamt und dem Technischen Hilfswerk (THW) ausgetragen werden spielen bei der Vorbereitung auf den Ernstfall eine große Rolle. Solche Übungen gehen dann oft über den ganzen Süddeutschen Raum hinweg. 2005 soll eine solche Übung erstmalig Bundesweit durchgespielt werden. Im Katastrophenfall werden zunächst die hauptamtlichen Kräfte, aller für den speziellen Fall benötigten Einheiten zusammengezogen. Sie werden dann von den freiwilligen Kräften, meist sind das die freiwilligen Schnellen Einsatz Gruppen (SEG) des DRK und die Mitglieder der freiwillige Feuerwehren unterstützt. „Im Normalfall können in Stuttgarts Krankenhäuser bis zu 20 Verletzte gut versorgt werden“, so das Gesundheitsamt. Tritt nun der Katastrophenfall ein, kann das DRK-Stuttgart mit vier für diesen Fall ausgerüsteten so genannten Rettungszügen bis zu 2 000 Verletzte versorgen. „Wobei im Katastrophenfall die Prioritäten anders liegen als im normalen Einsatz. Da kann eine Oberschenkelfraktur (Bruch) zunächst schon einmal zugunsten eines dringlicheren Falles übergangen werden“, erklärt Victor Felber der Pressesprecher des DRK. Die Verletzten werden erst einmal in verschiedene Kategorien eingeteilt, die zwischen leicht verletzt über dringlich bis zu zur Behandlung sinnlos liegen. Dann werden sie auf umliegende  Turnhallen und größere Gebäude verteilt. „Solche Gebäude bieten sich wegen der vorhandenen sanitären Anlagen als Notfallklinikum an“, so Felber. Ein weiterer Schritt ist Unfallopfer für die Angehörigen zu identifizieren. Im Katastrophenfall darf eine Stadt in Deutschland auch auf die Bundeswehr und deren Kapazitäten zurückgreifen die Verletzte mit Hubschraubern ausfliegen können. Auch die Bundeswehrkrankenhäuser dürfen dann mit genutzt werden. Denn das Problem eine größere Zahl von Patienten nach ihrer Erstversorgung in einem Krankenhaus unterzubringen ist nach wie vor im ganzen Land dasselbe und bisher noch nicht gelöst. Das THW wird im Einsatz der Feuerwehr mit seinem schweren Bergungsgerät und seinen Anlagen zur Hand gehen. „Bürgerhilfe, die reine Manpower betrifft, kann in diesen speziellen Fällen sogar angeordnet werden“, weiß Knödler. Aber wie man es bei der Hochwasserkatastrophe gesehen hat funktioniert das Helfen in Deutschland auch auf freiwilliger Basis sehr gut. Dem Katastrophenschutz hierzulande kann also ein, in der Theorie und den zahllosen Übungsszenarien, recht gutes Zeugnis ausgestellt werden. Bitter beklagt werden von den Einsatzkräften aber auch die Einsparungen im Gesundheitswesen, wodurch Gerät und die Einsatzfahrzeuge meist nicht mehr zeitgemäß sind. Erst seit dem 11.9. widme man dem Katastrophenschutz wieder größere Aufmerksamkeit.

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